Fehlende Unterstützung

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Manchmal fühlt es sich an, als würdest du durch eine unsichtbare Wand sprechen.
Du erklärst, kämpfst, suchst nach Lösungen und trotzdem scheint niemand wirklich zu verstehen, was du meinst.
Wenn du ein hochbegabtes oder zweifach ungewöhnliches Kind  hast, kennst du dieses Gefühl wahrscheinlich gut: Die Mischung aus Liebe, Sorge und der ständigen Anstrengung, dein Kind zwischen Hochbegabung und Herausforderung zu begleiten.

Doch was viele nicht sehen: Nicht das Kind ist eine Herausforderung für die ganze Familie, sondern die fehlende Unterstützung.
Eltern wie du stoßen immer wieder auf Unverständnis.
Freunde winken ab, Lehrkräfte verweisen auf fehlende Ressourcen, Fachleute wissen oft zu wenig über die Kombination aus Begabung und Lern- oder Verhaltensschwierigkeiten.
Zurück bleibt das Gefühl, auf sich allein gestellt zu sein.

In diesem Artikel erfährst du, warum so viele Eltern von 2e-Kindern fehlende Unterstützung erleben, welche Folgen das für Familien hat und wo du Menschen findest, die wirklich verstehen, was du durchmachst:

✅ Warum 2e-Familien oft übersehen oder missverstanden werden

✅ Welche emotionalen Folgen fehlende Unterstützung für Eltern hat

✅ Wie du Wege findest, dich zu vernetzen und gehört zu werden

✅ Warum du mit deinen Gefühlen von Einsamkeit nicht allein bist

Wenn Verständnis fehlt

Viele Eltern von 2e-Kindern erleben täglich, dass ihr Umfeld die Situation nicht wirklich begreift. Außenstehende sehen nur ein kluges, manchmal eigensinniges Kind. Sie verstehen nicht, warum es trotzdem Schwierigkeiten in der Schule gibt oder warum Hausaufgaben zu Tränen führen. Für andere wirkt das Kind oft unauffällig oder sogar problemlos. Doch was sie nicht sehen, ist der ständige Balanceakt, der dahintersteckt.

Fehlende Unterstützung beginnt oft damit, dass Eltern sich rechtfertigen müssen. Wenn du versuchst zu erklären, warum dein Kind zwar komplexe Zusammenhänge durchschaut, aber gleichzeitig an einfachen Aufgaben scheitert, erntest du oft nur ratlose Blicke. Kommentare wie „Er ist doch so schlau“ oder „Sie braucht nur mehr Disziplin“ verletzen und lassen dich zweifeln. Statt Verständnis bekommst du Ratschläge, die nichts mit eurer Realität zu tun haben.

Mit der Zeit führt das dazu, dass viele Eltern schweigen. Sie erzählen weniger, vermeiden Gespräche über Schule oder Verhalten und ziehen sich zurück. Das Gefühl, ständig erklären zu müssen, ist zermürbend. Du willst dein Kind schützen, aber du spürst auch, wie dich die Isolation belastet. Fehlende Unterstützung zeigt sich nicht nur im Handeln anderer, sondern auch in ihrem Schweigen.

In der schwierigsten Phase, der Zeit, bevor L. auf eine andere Schule gewechselt ist, waren Eltern-/Lehrergespräche bei uns fast an der Tagesordnung. Wechselnde Gesprächspartner, immer andere Konstellationen,  aber im Grundsatz einig: 

„Sie müssen Grenzen setzen und konsequenter sein“, war der häufigste Satz in dieser Zeit. 

Und auch: Je mehr ich versuchte, die Gegensätze von zweifach außergewöhnlichen Kindern zu erklären, desto mehr hatte ich den Eindruck, als überambitionierte Mutter gesehen zu werden, die aus einem „Querulanten“ einen hochbegabten Jungen machen wollte. 

Selbst offizielle Testergebnisse wurden angezweifelt, unser KHP als unwissend dargestellt, weil die Lehrkräfte L. ja jeden Tag erleben. 

Das hat auch dazu geführt, dass wir uns als Familie immer weiter zurückgezogen haben. Unser engster Kreis bestand zeitweise nur noch aus uns selbst, weil wir bei anderen kaum oder gar kein Verständnis gefunden haben. 

Und auch, wenn einige nichts gesagt haben, bei mir schwang immer dieses Gefühl mit, dass sie uns im Grunde genommen auch verurteilen. 

Der doppelte Druck

Eltern von 2e-Kindern stehen oft zwischen zwei Seiten. Auf der einen hören sie Sätze wie „Ihr habt es gut, euer Kind ist so begabt“. Auf der anderen erleben sie Vorwürfe, wenn das Verhalten oder die Leistungen nicht den Erwartungen entsprechen. Diese widersprüchlichen Reaktionen setzen viele Eltern enorm unter Druck. Sie spüren, dass andere ein Bild von ihrem Kind haben, das mit der Realität wenig zu tun hat.

Dieser ständige Spagat hinterlässt Spuren. Viele Eltern entwickeln Schuldgefühle, weil sie glauben, nicht genug zu leisten. Sie zweifeln an sich, fragen sich, warum es bei anderen scheinbar einfacher läuft. Gleichzeitig wächst die Wut darüber, dass so wenig Verständnis vorhanden ist. Die Kombination aus Bewunderung und Kritik ist zermürbend. Sie isoliert und führt dazu, dass Eltern sich immer häufiger zurückziehen, um diesen Erwartungen zu entkommen.

Elternabend waren für mich vor dem Schulwechsel eine echte Herausforderung. Ich hatte immer das Gefühl auf Ablehnung zu stossen. Meine eigene Neurodiversität stand mir zusätzlich im Weg und belastete mich phasenweise so sehr, dass ich das Treffen nur noch so schnell wie möglich hinter mich bringen wollte. Keine Gespräche mehr danach, kein Austausch mit anderen Eltern mehr, einfach nus ins Auto und nach Hause. 

Wenn Hilfe zur Enttäuschung wird

Wenn die Sorgen wachsen, suchen viele Eltern von 2e-Kindern professionelle Unterstützung. Sie wenden sich an Lehrkräfte, Schulpsychologen oder Therapeuten in der Hoffnung, endlich jemanden zu finden, der das Kind wirklich versteht. Doch oft beginnt hier die nächste Enttäuschung.

Fehlende Unterstützung zeigt sich dann oft nicht nur im privaten Umfeld, sondern auch bei Fachleuten. Viele wissen schlicht zu wenig über die Kombination aus Hochbegabung und zusätzlichen Herausforderungen wie ADHS, LRS oder Autismus.

Eltern hören Sätze wie „Ihr Kind ist zu klug für eine Förderung“ oder „So schlimm ist das doch nicht“. Manche erleben sogar, dass ihre Sorgen abgetan oder als Überforderung ausgelegt werden. Dabei wünschen sie sich nichts sehnlicher, als ernst genommen zu werden.

Solche Erfahrungen können das Vertrauen in das System erschüttern. Wenn du immer wieder erklären musst, warum dein Kind nicht in Schubladen passt, fühlst du dich irgendwann hilflos. Du beginnst zu zweifeln, ob du übertreibst, oder du ziehst dich zurück, um dein Kind zu schützen. Doch gerade dieser Rückzug verstärkt das Gefühl, allein zu sein. Fehlende Unterstützung bedeutet in vielen Fällen nicht, dass niemand helfen will, sondern dass zu wenig Wissen vorhanden ist, um wirklich helfen zu können.

Hierin finde ich uns am stärksten wieder. Das Gefühl, auch von öffentlichen Stellen wenig oder keinerlei Unterstützung zu erhalten, war das schlimmste.

Wir hatten beispielsweise einen Kontakt zum Dezernat für Hochbegabung der Bezirksregierung, die sich sehr bemüht hat, mit der Schule in den Austausch zu gehen. 

Sie lief oft vor Mauern, bekam keine Termine oder es wurde auf Zeit gespielt. 

Mit Einleitung des AOSF-Verfahrens von L. zog sie sich dann komplett zurück: „Jetzt kollidieren zwei Fachbereiche miteinander, wir müssen den Ausgang daher erstmal abwarten.“

Wenn ich heute darüber nachdenke, kommt dieses Gefühl des Alleinseins wieder zurück. So viele Akteure, so viele Fachstellen, aber am Ende waren wir doch allein unterwegs. 

Der soziale Rückzug

Viele Eltern von zweifach außergewöhnlichen Kindern erleben irgendwann den Punkt, an dem sie sich bewusst zurückziehen. Zu oft mussten sie sich erklären, rechtfertigen oder anhören, dass sie übertreiben. Der Rückzug wird zu einer Art Schutzschild. Er soll Frieden bringen, Abstand von verletzenden Kommentaren und vom ständigen Vergleich mit anderen Familien.

Doch was als Selbstschutz beginnt, kann sich leise in Einsamkeit verwandeln. Fehlende Unterstützung zeigt sich auch darin, dass Eltern ihre Sorgen kaum mehr teilen. Geburtstage, Elternabende oder Schulveranstaltungen werden zur Belastung, weil du nie weißt, ob jemand dich versteht oder dein Kind verurteilt. Du beobachtest andere Eltern, die selbstverständlich über Hausaufgaben oder Noten sprechen, und spürst den Stich, dass diese Normalität für euch unerreichbar scheint.

Gleichzeitig entsteht ein Dilemma. Du willst dein Kind schützen, aber du sehnst dich nach Austausch. Du brauchst Menschen, die wissen, wie sich dieser Alltag wirklich anfühlt. Der soziale Rückzug ist verständlich, doch auf Dauer raubt er Kraft. Fehlende Unterstützung kann sich so zu einem stillen, täglichen Begleiter entwickeln, der dich daran hindert, wieder Vertrauen zu fassen.

Eltern zu sein ist eine Herausforderung. Eltern eines hochbegabten oder zweifach außergewöhnlichen Kindes zu sein noch mehr. 

Wie du einen Eltern-Burnout vermeidest und besser auf dich und deine Bedürfnisse achten kannst, erfährst du in diesem Artikel. 

Was wirklich hilft

Das Gefühl, allein zu sein, begleitet viele Eltern von 2e-Kindern über Jahre. Doch auch wenn es sich manchmal so anfühlt, bist du nicht allein. Es gibt viele Familien, die die gleichen Erfahrungen machen, dieselben Sorgen teilen und denselben Mut aufbringen, jeden Tag neu anzufangen. Fehlende Unterstützung ist kein persönliches Versagen, sondern ein gesellschaftliches Problem, das zu wenig gesehen wird.

Der erste Schritt besteht darin, dich mit anderen zu vernetzen. Online-Communities, Selbsthilfegruppen oder lokale Elterninitiativen bieten die Chance, endlich verstanden zu werden. Hier kannst du offen sprechen, ohne dich erklären zu müssen. Der Austausch mit anderen Eltern, die ähnliche Wege gehen, kann entlasten, neue Perspektiven eröffnen und dir das Gefühl geben, dazuzugehören.

Auch Fachstellen für Hochbegabung oder Beratungsstellen mit inklusivem Ansatz können eine wertvolle Unterstützung sein. Dort findest du Menschen, die über die Besonderheiten von 2e-Kindern Bescheid wissen und gezielte Hilfen anbieten. Und manchmal ist es schon ein großer Schritt, einfach laut auszusprechen, dass du dich allein fühlst. Denn aus diesem Moment des Teilens kann Verbindung entstehen. Fehlende Unterstützung endet oft genau dort, wo Eltern beginnen, sich gegenseitig die Hand zu reichen.

Fehlende Unterstützung

Fehlende Unterstützung kann Eltern von 2e-Kindern an ihre Grenzen bringen. Wenn du ständig erklären musst, warum dein Kind anders lernt, fühlt oder reagiert, und dabei kaum Verständnis findest, entsteht ein tiefer Schmerz. Dieses Gefühl, alles allein tragen zu müssen, ist real und verdient Aufmerksamkeit. Doch du bist nicht allein mit dieser Erfahrung.

Viele Eltern teilen denselben Weg. Sie haben gelernt, dass Verständnis nicht immer dort zu finden ist, wo man es erwartet, sondern oft bei Menschen, die Ähnliches erlebt haben. Unterstützung bedeutet nicht Perfektion oder schnelle Lösungen, sondern echtes Zuhören und ehrliches Mitgefühl.

Lass dir sagen: Du machst einen unglaublich wichtigen Job. Auch wenn du manchmal zweifelst, gibst du deinem Kind genau das, was es am meisten braucht: 

Jemanden, der es sieht und versteht. Schritt für Schritt kannst du dir ein Netzwerk aufbauen, das dich trägt. Denn fehlende Unterstützung muss kein Dauerzustand bleiben. Verbindung beginnt dort, wo du dich traust, dich zu zeigen und anderen Eltern zu begegnen, die dasselbe fühlen wie du.

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Wer schreibt hier?

Alexandra Wittke_Porträt

Hey, ich bin Alexandra!

Neurodivers, Mutter von 2 wundervollen 2e-Kindern, Autorin, Mutmacherin und Wegbegleiterin. 

Unser Weg von „unbeschulbar“ hin zu einem Kind, das wieder gern in die Schule geht, ist Teil dieses Blogs. 

Mit ihm und mit meinem Buch „Anders Normal“ möchte ich anderen Eltern Mut machen, sich für ihre Kinder einzusetzen, gezielte Handlungskompetenz vermitteln und konkrete Strategien anbieten, mit denen sie ihre Kinder stärkenorientiert begleiten können. 

Dein Kind ist nicht anders. Es braucht nur eine Umgebung, in der es mit seinen Herausforderungen und Stärken gesehen wird!

Mockup Buch Anders Normal

„Anders Normal“ ist das Buch, das ich selbst gerne in unseren schwierigsten Zeiten gehabt hätte! 

Statt reiner Fachliteratur habe ich den Fokus bewusst auf Handlungskompetenz und konkrete Strategien gelegt, mit denen du dein Kind im Familienalltag, in Kita und Schule begleiten kannst.