Eltern-Burnout

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Es war einer dieser Abende, die einfach kein Ende nehmen wollten. Meine kleine Tochter war völlig übermüdet, wollte aber partout nicht ins Bett. Ich trug sie im Arm, versuchte sie zu beruhigen, während sie sich immer wieder gegen mich stemmte und weinte. Nebenan tobte ihr großer Bruder, weil irgendetwas nicht so lief, wie er es wollte. Türen flogen zu, seine Stimme überschlug sich, und ich wusste nicht mehr, wo ich zuerst sein sollte.

Ich war müde, körperlich und innerlich. Mein Partner stand in der Tür, wir warfen uns Blicke zu, die alles sagten. Er wollte konsequent bleiben, ich wollte Verständnis zeigen. Zwei Kinder, zwei Meinungen, zwei Eltern, die sich eigentlich nur wünschten, dass endlich Ruhe einkehrt.

Ich fühlte mich hilflos und schuldig zugleich, weil ich spürte, dass ich an meine Grenzen kam. Weil ich merkte, dass Liebe allein nicht immer reicht, wenn man selbst kaum noch Kraft hat.

In solchen Momenten wurde mir klar, wie schnell man als Elternteil an seine Grenzen kommt, besonders mit einem 2e-Kind, das im Alltag oft mehr Energie, Geduld und Verständnis braucht, als man aufbringen kann.

Wenn dir das bekannt vorkommt, bist du hier genau richtig. In diesem Artikel erfährst du:

✅ Warum es normal ist, sich manchmal leer und überfordert zu fühlen – ohne dass du etwas falsch machst

✅ Welche Anzeichen zeigen, dass aus Erschöpfung ein Eltern-Burnout werden kann

✅ Warum Eltern von 2e-Kindern besonders gefährdet sind

✅ Welche Schritte dir helfen, wieder mehr Ruhe, Kraft und Vertrauen in euren Alltag zu bringen

Was bedeutet Eltern-Burnout eigentlich?

Eltern-Burnout ist mehr als nur Müdigkeit. Es ist dieses tiefe Gefühl, innerlich leer zu sein, obwohl man eigentlich alles hat, was man liebt. Es ist, wenn du morgens aufstehst und dich schon erschöpft fühlst, bevor der Tag überhaupt begonnen hat. Wenn du alles gibst, aber das Gefühl hast, es reicht trotzdem nie.

Du bist immer in Bewegung, versuchst 10 Bälle gleichzeitig in der Luft zu halten und denkst ständig daran, welche Katastrophe als nächstes wartet: Ruft die Schule wieder an? Wird die Kleine zum 3. Mal in den letzten vier Wochen krank? Denkt mein Arbeitgeber dran, dass ich kommende Woche im Homeoffice bin oder muss ich es ihm nochmal sagen? 

Und während du all das jonglierst, merkst du kaum, dass du selbst längst keine Pause mehr hattest. Du funktionierst einfach weiter, weil du musst. Zwischen Brotdosen, Arztterminen, Wutanfall und Elternsprechtag bleibt kein Raum für dich. Selbst wenn du dich mal hinsetzt, kreisen die Gedanken weiter: Habe ich genug Geduld gehabt? Hätte ich anders reagieren sollen? Warum schaffen andere das scheinbar besser?

Genau hier beginnt das, was viele Eltern nicht bemerken: die langsame Erschöpfung, die sich einschleicht, wenn man über Monate oder Jahre dauerhaft im Ausnahmezustand lebt. Der Alltag mit einem 2e-Kind ist oft unberechenbar. Kein Tag gleicht dem anderen.

Du planst, und das Leben macht trotzdem, was es will. Diese ständige Alarmbereitschaft kostet Energie, und irgendwann auch Freude.

Eltern-Burnout bedeutet nicht, dass du dein Kind nicht liebst oder versagt hast. Es bedeutet, dass du über längere Zeit zu viel gibst, ohne etwas zurückzubekommen. Dass du dich selbst auf der Liste der Prioritäten ganz nach unten gesetzt hast. Dass du so sehr für dein Kind da bist, dass du dich selbst dabei aus den Augen verlierst.

Warum fühle ich mich als Elternteil mit einem 2e-Kind ständig erschöpft?

Diese Erschöpfung hat viele Gesichter. Manchmal ist sie körperlich – du bist einfach müde, egal wie viel du schläfst. Oft ist sie aber vor allem emotional. Das ständige Auf und Ab, die Unvorhersehbarkeit, die Reizintensität deines Kindes, all das zehrt an deinen Kräften. Es ist, als würdest du nie wirklich abschalten können, weil du immer auf den nächsten Auslöser vorbereitet sein musst.

Ein 2e-Kind, also ein hochbegabtes Kind mit ADHS, Autismus oder einer Lernstörung wie Dyskalkulie oder LRS, fordert dich in alle Richtungen. Du bewunderst seine außergewöhnliche Art zu denken, seine Kreativität und Neugier. Gleichzeitig bringen dich seine Impulsivität, seine Wut oder sein Perfektionismus regelmäßig an den Rand deiner Geduld.

Es gibt Tage, an denen du dich fragst, wie zwei so gegensätzliche Seiten in einem Kind stecken können. Und Nächte, in denen du dich fragst, ob du überhaupt noch genug gibst.

Hinzu kommt der Druck von außen. Lehrer, Ärzte, Freunde, Familie, alle haben eine Meinung, aber kaum jemand versteht, wie komplex euer Alltag wirklich ist. Du erklärst, entschuldigst, rechtfertigst. Und irgendwann fragst du dich, wer sich eigentlich um dich kümmert.

Diese Daueranspannung ist kein Zeichen von Schwäche, sondern eine natürliche Reaktion auf eine dauerhafte Überforderung. Sie zeigt, dass du dich kümmerst, dass du Verantwortung trägst, nur leider zu oft auf deine eigenen Kosten.

Ist das normale Eltern-Erschöpfung oder schon ein Eltern-Burnout?

Müde zu sein gehört zum Elternsein dazu. Jeder hat Tage, an denen einfach alles zu viel ist;
Das kleine Kind zahnt gerade, das große kommt vor lauter Gedankenkreisen abends nicht in den Schlaf. Und wenn du es doch endlich geschafft hast, ruft der nächste nach einem Fläschchen.

Doch wenn diese Phasen nicht mehr vergehen, wenn du dich dauerhaft leer fühlst und dich selbst kaum wiedererkennst, kann dahinter mehr stecken als normale Erschöpfung.

Bei einem Eltern-Burnout verschwimmen die Grenzen. Anfangs denkst du vielleicht, du brauchst nur ein Wochenende Ruhe oder ein paar gute Nächte Schlaf. Doch selbst nach einer Pause fühlst du dich nicht erholt. Stattdessen hast du das Gefühl, nur noch zu funktionieren. Du tust, was getan werden muss, aber du spürst dich dabei kaum noch.

Ein weiteres Warnzeichen ist der Verlust von Freude. Dinge, die dir früher Spaß gemacht haben, fühlen sich anstrengend an. Selbst Momente mit deinen Kindern, die dich eigentlich glücklich machen sollten, hinterlassen nur noch Erschöpfung. Du merkst, dass du schneller gereizt bist, häufiger weinst oder dich innerlich zurückziehst.

Gerade Eltern von 2e-Kindern erleben das besonders oft, weil sie selten echte Pausen haben. Selbst die ruhigen Phasen sind oft nur kurze Atempausen vor dem nächsten Sturm. Wenn du dich in dieser Beschreibung wiederfindest, ist das kein Zeichen von Schwäche. Es ist ein Signal deines Körpers und deiner Seele, dass du zu lange zu viel getragen hast.

Welche Anzeichen gibt es für ein Eltern-Burnout?

Ein Eltern-Burnout entsteht selten von heute auf morgen. Die Erschöpfung schleicht sich leise ein und wird oft lange übergangen, weil du glaubst, es müsse einfach so sein. Doch es gibt klare Anzeichen, die zeigen, dass dein Körper und deine Seele überlastet sind. Wenn du sie erkennst, kannst du rechtzeitig gegensteuern.

Emotionale Erschöpfung

Du fühlst dich dauerhaft müde, gereizt oder innerlich leer. Nichts macht dir mehr wirklich Freude. Selbst kleine Aufgaben, ein Anruf, ein Termin, ein Streit zwischen den Kindern, fühlen sich an, als würdest du einen Berg besteigen. Diese Form der Erschöpfung ist kein Zeichen mangelnder Liebe, sondern ein Warnsignal deines Körpers, dass deine Energie erschöpft ist.

Emotionale Distanzierung

Du liebst dein Kind, aber du fühlst dich oft seltsam abgekoppelt. Du funktionierst, erledigst, tröstest, aber innerlich bist du weit weg. Manchmal beobachtest du dich selbst, wie du automatisch reagierst, ohne wirklich präsent zu sein. Dieses Gefühl, nur noch zu funktionieren, ist ein klassisches Symptom eines beginnenden Burnouts.

Körperliche Symptome

Dein Körper meldet sich, lange bevor du selbst erkennst, was los ist. Du schläfst schlecht, wachst oft gerädert auf, hast Kopfschmerzen, Herzrasen oder Verspannungen. Manche Eltern werden häufiger krank, weil das Immunsystem geschwächt ist. Wenn der Körper streikt, ist das kein Zufall, er versucht dich zu schützen, indem er dich zwingt, langsamer zu werden.

Leistungs- und Selbstzweifel

Du beginnst an dir zu zweifeln. Du fragst dich, ob du eine gute Mutter oder ein guter Vater bist. Du hast das Gefühl, ständig zu versagen, obwohl du alles gibst. Vielleicht vergleichst du dich mit anderen Eltern und fühlst dich dabei immer kleiner. Diese Gedanken verstärken die Erschöpfung noch, weil du innerlich keinen Raum mehr für Mitgefühl mit dir selbst hast.

Ich erinnere mich gut daran, wie unangenehm die Blicke anderer Eltern für mich waren. Ich hatte ständig das Gefühl, niemandem gerecht zu werden: 

Die Schule signalisierte unterschwellig, wir müssten nur härter sein, andere Eltern gaben ungebetene Ratschläge und wurden zum Teil sehr übergriffig. Und ich? Ich fühlte mich wie eine totale Versagerin. 

Vernachlässigung eigener Bedürfnisse

Du nimmst dir keine Zeit mehr für dich. Selbst Dinge, die du früher selbstverständlich getan hast – in Ruhe essen, spazieren gehen, mit Freunden sprechen, fühlen sich jetzt wie Luxus an. Je länger das so bleibt, desto schwieriger wird es, wieder in die Balance zu kommen. Doch genau hier beginnt der Weg aus dem Burnout: bei dem Mut, sich selbst wieder wichtig zu nehmen.

Wie unterscheidet sich Eltern-Burnout bei Familien mit einem zweifach außergewöhnlichen Kind?

Eltern von 2e-Kindern erleben ihren Alltag oft wie einen ständigen Balanceakt. Auf der einen Seite steht das Kind mit einer außergewöhnlichen Begabung, das neugierig, kreativ und wissbegierig ist. Auf der anderen Seite steht dasselbe Kind, das an Hausaufgaben verzweifelt, in der Schule aneckt oder in Tränen ausbricht, weil es sich selbst zu viel abverlangt. Diese Gegensätze machen das Familienleben unberechenbar.

Ein 2e-Kind fordert dich auf ganz unterschiedliche Weise. Du bist nicht nur Mutter oder Vater, sondern gleichzeitig Coach, Therapeut, Anwalt, Dolmetscher, Motivator und Ruhepol. Kaum ein Tag vergeht ohne neue Herausforderungen. Und oft fühlst du dich, als würdest du ständig gegen das System kämpfen, um dein Kind verstanden zu wissen. Lehrer verstehen die Situation nicht, Freunde spielen die Probleme herunter, und Ratgeber liefern einfache Lösungen für etwas, das alles andere als einfach ist.

Diese ständige Anspannung hinterlässt Spuren. Es ist kein Wunder, dass Eltern von 2e-Kindern häufiger Anzeichen von Burnout zeigen. Denn sie müssen oft doppelt geben, emotionale Unterstützung, schulische Begleitung, Struktur im Alltag, Geduld, Verständnis und die unerschütterliche Hoffnung, dass es irgendwann leichter wird.

Ich erinnere mich noch an eine Phase, in der ich jeden Tag das Gefühl hatte, auf rohen Eiern zu laufen,ständig bereit für die nächste Katastrophe zu sein.  Ich wollte helfen, wollte alles richtig machen, und gleichzeitig war ich ständig in Sorge, etwas falsch zu tun.

Rückblickend war das genau der Punkt, an dem ich gemerkt habe, dass Liebe allein manchmal nicht reicht. Man braucht auch Pausen, Unterstützung und das Wissen, dass man selbst wichtig bleibt, auch inmitten all der Anforderungen.

Was sind typische Ursachen für Eltern-Burnout?

Ein Eltern-Burnout entsteht selten durch ein einzelnes Ereignis. Es ist meist die Summe vieler kleiner Belastungen, die sich über die Zeit aufbauen.

Bei dir als Elternteil eines zweifach außergewöhnlichen Kindes kommt hinzu, dass du oft über Jahre hinweg in einer Daueranspannung lebst, weil dein Alltag so viel Flexibilität und emotionale Stärke erfordert.

Hohe Arbeitsbelastung

Der Alltag fühlt sich an wie ein ständiger Spagat. Beruf, Haushalt, Termine, Schulaufgaben, Arztbesuche, Gespräche mit Lehrkräften, alles will gleichzeitig erledigt werden. Du versuchst, in allen Bereichen präsent zu sein, und hast am Ende des Tages trotzdem das Gefühl, nichts richtig geschafft zu haben. Diese permanente Überforderung raubt Energie und führt dazu, dass du kaum noch abschalten kannst.

Erwartungsdruck

Viele Eltern von 2e-Kindern sind selbst sehr reflektiert und haben hohe Ansprüche an sich. Sie wollen ihr Kind verstehen, fördern und gleichzeitig allen gerecht werden. Wenn dann noch der Druck von außen dazukommt, von Schule, Familie oder Umfeld, entsteht schnell das Gefühl, zu versagen. Perfektionismus und ständiges Grübeln darüber, ob man genug tut, treiben viele Eltern in die Erschöpfung.

Mangelnde Unterstützung

Nicht selten stehen Eltern von 2e-Kindern ziemlich allein da. Es fehlt an Verständnis, an Ansprechpartnern und manchmal auch an Entlastung im Alltag. Freunde und Verwandte können die Situation oft nicht nachvollziehen, weil sie das Kind nur in ruhigen Momenten erleben.

Dadurch entsteht das Gefühl, ständig erklären oder sich rechtfertigen zu müssen, was wiederum Kraft kostet.

Ich hatte phasenweise selbst das Gefühl, nur noch im Reaktionsmodus zu sein, uns ständig zu erklären, zu rechtfertigen. Und je mehr Argumente ich brachte, desto weniger wurde ich verstanden. Immer öfter habe ich mich als Mutter gefühlt, die auf Biegen und Brechen versucht, aus ihrem „Klassenclown“ ein hochbegabtes Kind zu machen. Dabei galten selbst die Testergebnisse nichts, es konnte ja nicht sein, dass ein Kind, das auf dem Papier als hochbegabt gilt, in der Schule ständig auffällt. 

Finanzielle Sorgen

Ein Thema, über das kaum jemand spricht. Fördermaßnahmen, Therapien oder spezielle Materialien kosten Geld, und oft reduziert ein Elternteil die Arbeitszeit, um für das Kind da zu sein.

Diese zusätzliche Belastung erzeugt Druck, der sich direkt auf das Wohlbefinden auswirkt. Dauerhafte finanzielle Anspannung verstärkt das Gefühl, gefangen zu sein, ohne Ausweg und ohne Energie.

Ich selbst war zu den schlimmsten Zeiten und vor dem alles verändernden Schulwechsel in der glücklichen Position, einen sehr verständnisvollen Arbeitgeber zu haben, der Homeoffice nicht nur duldete, sondern auch verlangte, weil er wusste, dass ich vor allem dort am besten arbeiten konnte. 

Das ist nicht selbstverständlich. Und mein schlechtes Gewissen, wenn das Telefon mal wieder klingelte und ich abrupt meine Arbeit beenden musste, war immer präsent. 

Aber in der Situation war ich tatsächlich priviligiert, viele Eltern aus unserem Netzwerk mussten Stunden reduzieren oder ihren Job ganz aufgeben, um den Bedürfnisse des Kindes gerecht zu werden. 

Burnout durch Kinder, darf man das überhaupt sagen

Allein diese Formulierung fühlt sich für viele Eltern falsch an. Burnout durch Kinder? Das klingt hart, fast verboten. Schließlich liebt man seine Kinder über alles. Wie kann also aus dieser Liebe Erschöpfung werden? Doch genau das passiert, und zwar viel häufiger, als man denkt.

Viele Eltern trauen sich nicht, offen darüber zu sprechen. Sie haben Angst vor Verurteilung, davor, als undankbar oder schwach zu gelten. Doch die Wahrheit ist: Liebe schützt nicht automatisch vor Erschöpfung. Wer dauerhaft emotional präsent sein muss, ständig Verantwortung trägt und kaum Erholung findet, brennt irgendwann aus. Selbst, wenn er seine Kinder über alles liebt.

Ein 2e-Kind zu begleiten bedeutet, jeden Tag mit intensiven Gefühlen umzugehen, den eigenen und den des Kindes. Es bedeutet, Konflikte auszuhalten, immer wieder neu zu erklären, Missverständnisse zu klären, zu beruhigen und zu motivieren. Es bedeutet, mitzufühlen, mitzudenken und oft auch mitzuleiden. Das kann unglaublich erfüllend sein, aber es kann dich auch auslaugen, wenn du nie wirklich durchatmen kannst.

Vielleicht hast du schon einmal von dem Begriff „Regretting Parenthood“ gehört, Eltern, die offen zugeben, dass sie es manchmal bereuen, Mutter oder Vater geworden zu sein. Nicht, weil sie ihre Kinder nicht lieben, sondern weil sie sich selbst in dieser Rolle verloren haben. Weil das Leben so anders geworden ist, als sie es sich vorgestellt hatten. Vielleicht hast du ähnliche Gedanken schon einmal ganz leise in dir gespürt und sie sofort weggeschoben, weil sie sich „nicht gehören“.

Wenn du das kennst, dann bist du nicht allein. Es ist kein Zeichen mangelnder Liebe, sondern Ausdruck purer Erschöpfung. Du liebst dein Kind, und trotzdem darfst du dich nach Ruhe sehnen. Du darfst zweifeln, wütend, traurig oder leer sein. 

All das sagt nichts über deine Liebe aus, aber viel über den Druck, unter dem du stehst. Sich das einzugestehen, ist kein Versagen. Es ist der Moment, in dem du beginnst, ehrlich mit dir selbst zu sein und damit den ersten Schritt in Richtung Heilung gehst.

Was kann ich tun, wenn ich merke, dass ich keine Kraft mehr habe?

Der erste Schritt ist, ehrlich zu dir selbst zu sein. Wenn du merkst, dass du keine Energie mehr hast, dass du gereizt, traurig oder einfach nur leer bist, dann nimm das ernst. Viele Eltern versuchen, diese Gefühle zu übergehen, weil sie glauben, stark sein zu müssen. Aber Stärke bedeutet nicht, alles auszuhalten. Stärke bedeutet, hinzuschauen und Verantwortung auch für sich selbst zu übernehmen.

Wenn du an dem Punkt bist, an dem du dich ausgebrannt fühlst, hilft kein „Augen zu und durch“. Du brauchst Pausen, echte Pausen, nicht zwischen zwei Erledigungen, sondern Zeiten, in denen du dich erholen darfst, ohne schlechtes Gewissen. Fang klein an: fünf Minuten Stille, ein Spaziergang allein, ein offenes Gespräch mit jemandem, der dich versteht.

Such dir Unterstützung, bevor du völlig leerläufst. Sprich mit deinem Partner, deiner Familie oder einer Freundin. Und wenn du merkst, dass du aus eigener Kraft nicht mehr herausfindest, ist professionelle Hilfe keine Schwäche, sondern eine wichtige Entscheidung für dich und dein Kind. Eine Familienberatung oder ein therapeutisches Gespräch kann helfen, Muster zu erkennen und Wege zu finden, wieder Energie zu tanken.

Ich erinnere mich an den Moment, als ich selbst gemerkt habe, dass es so nicht weitergeht. Ich saß am Küchentisch, die Kinder waren im Bett, und ich starrte einfach nur auf die Wand. Ich hatte nichts mehr zu geben, wasr völlig erschöpft und gleichzeitig innerlich am zittern. 

Dieser Moment war traurig,  aber auch befreiend. Denn er war der Punkt, an dem ich verstanden habe, dass ich etwas ändern muss. Nicht für andere, sondern für mich.

Wenn du dich in dieser Beschreibung wiederfindest, dann sieh das nicht als Niederlage, sondern als Anfang. Es ist der Moment, an dem du dir selbst die gleiche Fürsorge gibst, die du deinem Kind täglich schenkst.

Wie kann ich verhindern, dass Erschöpfung zum Burnout wird?

Es gibt keinen perfekten Weg, um Burnout zu vermeiden. Aber es gibt viele kleine Schritte, die zusammen eine große Wirkung haben können. Der wichtigste davon ist, dich selbst wieder ernst zu nehmen.

Du bist nicht nur Elternteil, du bist auch Mensch mit Bedürfnissen, Grenzen und einem Körper, der Pausen braucht.

Unterstützung annehmen

Du musst das nicht alleine schaffen. Auch wenn es sich manchmal so anfühlt, als läge die ganze Verantwortung bei dir, es ist erlaubt, Hilfe anzunehmen. Bitte deinen Partner, deine Familie oder Freunde um Entlastung, auch wenn es dir schwerfällt. 

Professionelle Hilfe kann ebenfalls ein wichtiger Schritt sein. Eine Familienberatung, eine Selbsthilfegruppe oder eine Gesprächstherapie bieten Raum, um dich zu sortieren und neue Perspektiven zu finden.

Erwartungen reduzieren

Perfektionismus ist einer der größten Energieräuber. Du musst nicht immer alles im Griff haben. Erlaube dir, dass nicht jeder Tag rundläuft, dass das Haus unordentlich ist oder dass du auch mal keine Geduld hast. „Gut genug“ ist oft völlig ausreichend. Wenn du lernst, deine Ansprüche loszulassen, entsteht Platz für Entlastung und Gelassenheit.

Ich weiß selbst, wie schwer das ist. Manchmal habe ich mich dafür gehasst, wenn unser Haus mal wieder aussah, als sei es monatelang nicht geputzt worden oder die Teller vom Vorabend auf statt im Geschirrspüler stand. 

Und gleichzeitig habe ich aber auch gesehen, dass ich keine Kraft mehr hatte, selbst alltägliche Dinge zu tun. 

Heute kann ich beides sein, eine „gute“ Mutter und eine Frau, die Haushalt, Beruf und alles andere im Griff hat. 

Der Weg dahin war aber lang. Und er beginnt damit zu erkennen, was der eigene Körper gerade braucht und was noch warten kann. 

Aktiv werden

Manchmal hilft es, ganz bewusst den eigenen Alltag unter die Lupe zu nehmen. Was stresst dich wirklich? Welche Aufgaben kannst du verändern, abgeben oder streichen? Schon kleine Anpassungen, wie feste Pausen, vereinfachte Abläufe oder klarere Routinen, können helfen, den Druck zu reduzieren.

Ressourcen stärken

Frag dich: Was gibt dir Kraft? Vielleicht ist es Bewegung, Musik, ein Gespräch, Schreiben oder einfach zehn Minuten Stille. Diese kleinen Energiequellen sind kein Luxus, sondern notwendig, um dein Gleichgewicht zu halten. Versuche, sie regelmäßig einzuplanen, auch wenn es nur für kurze Momente ist.

Balance schaffen

Selbstfürsorge bedeutet nicht, dich an die erste Stelle zu setzen, sondern dich überhaupt wieder auf die Liste zu nehmen. Achte auf ausreichend Schlaf, eine gute Ernährung und Bewegung, aber vor allem auf Mitgefühl mit dir selbst. Du darfst Pausen brauchen, du darfst schwach sein, du darfst loslassen.

Einen Eltern-Burnout zu verhindern bedeutet nicht, nie müde oder überfordert zu sein. Es bedeutet, rechtzeitig zu erkennen, wann du dich selbst verlierst. Und auch, den Mut zu haben, einen Schritt zurückzutreten.

Du möchtest konkrete Strategien, wie du euren Alltag entlasten und gleichzeitig dein Kind liebevoll begleiten kannst? 

In diesem Artikel habe ich dir unsere Tipps zusammengefasst.

Wie kann ich verhindern, dass sich mein Erschöpfungsgefühl auf die Beziehung zu meinem Kind auswirkt?

Kinder spüren, wenn etwas nicht stimmt. Sie nehmen die kleinsten Spannungen wahr, oft noch bevor wir sie selbst bemerken. Gerade zweifach außergewöhnliche Kinder reagieren besonders feinfühlig auf emotionale Veränderungen. Sie merken, wenn du dich zurückziehst, gereizt bist oder innerlich leer. Das kann sie verunsichern, weil sie deine Stimmung auf sich beziehen, auch wenn du ihnen nie einen Vorwurf machst.

Doch es gibt Wege, diese Spirale zu durchbrechen. Der wichtigste Schritt ist, ehrlich zu dir selbst und deinem Kind zu sein. Du musst dich nicht immer stark zeigen. Wenn du merkst, dass du keine Geduld mehr hast, darfst du das sagen: „Ich bin gerade müde und brauche kurz Ruhe.“ Kinder lernen dadurch, dass auch Eltern Grenzen haben, und dass man trotzdem liebevoll miteinander umgehen kann.

Manchmal hilft es, kleine gemeinsame Rituale einzuführen, die Nähe schaffen, auch wenn du wenig Energie hast. Ein kurzes Kuscheln vor dem Einschlafen, ein gemeinsamer Tee am Nachmittag, ein kleines „Codewort“ für schwierige Momente. Solche Routinen geben euch beiden Sicherheit, wenn der Alltag turbulent ist.

Ich erinnere mich an Abende, an denen ich völlig ausgelaugt war und mein Sohn trotzdem Nähe suchte. Früher habe ich versucht, mich zusammenzureißen und alles auszuhalten. Heute sage ich ehrlich: „Ich bin gerade kaputt, aber du kannst dich zu mir setzen.“ Diese Offenheit hat unsere Beziehung verändert. Es geht nicht darum, immer perfekt zu reagieren, sondern darum, authentisch zu bleiben.

Wenn du dir selbst erlaubst, nicht alles können zu müssen, entsteht Raum für Verbindung. Du bist nicht weniger liebevoll, wenn du müde bist. Du bist ein Mensch. Und genau das braucht dein Kind. Kein makelloses Vorbild, sondern jemanden, der zeigt, wie man sich selbst wieder aufrichtet, wenn das Leben anstrengend wird.

Gibt es Unterstützungsangebote speziell für Eltern von 2e-Kindern?

Ja, und es werden glücklicherweise immer mehr. Trotzdem ist der Weg dorthin für viele Eltern noch schwer, weil sie gar nicht wissen, wo sie anfangen sollen oder weil sie schon so erschöpft sind, dass selbst die Suche nach Hilfe anstrengend wirkt. Dabei kann genau diese Unterstützung der entscheidende Wendepunkt sein.

Ein guter erster Schritt ist der Austausch mit anderen Eltern, die Ähnliches erleben. Online-Communities, Selbsthilfegruppen oder Elternforen zum Thema 2e (Twice Exceptional) bieten oft nicht nur praktische Tipps, sondern auch Verständnis. Zu wissen, dass du nicht allein bist, kann enorm entlasten. Viele berichten, dass sie dort zum ersten Mal Menschen getroffen haben, die sie wirklich verstehen, ohne dass sie sich rechtfertigen müssen.

Auch professionelle Unterstützung kann hilfreich sein. Familienberatungsstellen, psychologische Beratungen oder spezialisierte Coaches für Eltern neurodiverser Kinder helfen dabei, den Alltag zu strukturieren, Prioritäten zu setzen und wieder Kraftquellen zu finden. Manche Städte bieten sogar spezielle Elterntrainings an, die auf den Umgang mit Hochbegabung und zusätzlichen Herausforderungen eingehen.

Wenn du merkst, dass deine Erschöpfung tief sitzt, ist es wichtig, dich nicht zu scheuen, therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Eine Therapie bedeutet nicht, dass du versagt hast, im Gegenteil. Sie kann dir helfen, den Blick auf dich selbst zu schärfen, alte Muster zu erkennen und wieder innere Ruhe zu finden.

Ich weiß, wie schwer es ist, diesen Schritt zu gehen. Mir fiel es anfangs auch schwer, zu sagen: „Ich brauche Hilfe.“ Aber genau das war der Moment, in dem sich etwas verändert hat. Es geht nicht darum, perfekt zu werden, sondern darum, wieder atmen zu können. Du musst diesen Weg nicht allein gehen, es gibt Menschen, die verstehen, wie herausfordernd euer Alltag ist, und die dir helfen können, ihn leichter zu machen.

Eltern-Burnout: Du bist nicht allein

Wenn du dich in vielen dieser Zeilen wiedererkennst, dann darfst du wissen: Du bist nicht schwach, du bist erschöpft. Es ist ein großer Unterschied. Erschöpfung bedeutet, dass du über lange Zeit zu viel gegeben hast, aus Liebe, aus Verantwortungsgefühl, aus dem Wunsch, alles richtig zu machen. Diese Liebe ist immer noch da, aber sie braucht neue Wurzeln, damit sie dich nicht mehr ausbrennt.

Eltern-Burnout ist kein persönliches Versagen, sondern ein Signal. Ein Zeichen, dass du dir selbst wieder zuhören darfst. Dass du Pausen brauchst, Verständnis, Mitgefühl und Unterstützung. Es ist kein Makel, sondern Menschlichkeit. Gerade Eltern von 2e-Kindern tragen oft doppelt, die Sorgen, die Verantwortung, die Unsicherheit. Und vergessen dabei, dass sie selbst Teil dieser Familie sind, die Halt braucht.

Du darfst müde sein. Du darfst Hilfe annehmen. Du darfst neu anfangen. Dein Kind braucht keine perfekte Mutter oder keinen perfekten Vater, sondern jemanden, der echt ist, der fühlt, der auch mal schwach sein darf.

Wenn du nur eine Sache aus diesem Artikel mitnimmst, dann diese:
Selbstfürsorge ist kein Egoismus. Sie ist Liebe. Dieselbe Liebe, die du jeden Tag gibst, nur diesmal für dich selbst.

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Wer schreibt hier?

Alexandra Wittke_Porträt

Hey, ich bin Alexandra!

Neurodivers, Mutter von 2 wundervollen 2e-Kindern, Autorin, Mutmacherin und Wegbegleiterin. 

Unser Weg von „unbeschulbar“ hin zu einem Kind, das wieder gern in die Schule geht, ist Teil dieses Blogs. 

Mit ihm und mit meinem Buch „Anders Normal“ möchte ich anderen Eltern Mut machen, sich für ihre Kinder einzusetzen, gezielte Handlungskompetenz vermitteln und konkrete Strategien anbieten, mit denen sie ihre Kinder stärkenorientiert begleiten können. 

Dein Kind ist nicht anders. Es braucht nur eine Umgebung, in der es mit seinen Herausforderungen und Stärken gesehen wird!

Mockup Buch Anders Normal

„Anders Normal“ ist das Buch, das ich selbst gerne in unseren schwierigsten Zeiten gehabt hätte! 

Statt reiner Fachliteratur habe ich den Fokus bewusst auf Handlungskompetenz und konkrete Strategien gelegt, mit denen du dein Kind im Familienalltag, in Kita und Schule begleiten kannst.